79. Ein lämmlein geht und trägt die schuld

1 Ein lämmlein geht und trägt die schuld
Der welt und ihrer kinder;
Es geht und büsset in geduld
Die sünden aller sünder:
Es geht dahin, wird matt und krank,
Ergibt sich auf die würgebank,
Entzieht sich aller freuden.
Es nimmet an schmach, hohn und spott,
Angst, wunden, striemen, creutz und tod,
Und spricht: ich will's gern leiden.

2 Das lämmlein ist der grosse freund
Und Heiland meiner seelen;
Denn den hat Gott zum sünden-feind
Und söhner wollen wählen;
Geh hin mein kind, und nimm dich an
Der kinder, di ich ausgethan
Zu straf und zornesruthen;
Die straf ist schwer, der zorn ist groß,
Du kanst und solst sie machen los
Durch sterben und durch bluten.

3 Ja, Vater! ja von herzensgrund,
Leg auf, ich will dirs tragen;
mein wollen hängt an deinem mund,
Mein würken ist dein sagen.
O wunder-lieb, o liebesmacht!
Du kanst was nie ein mensch gedacht,
Gott seinen sohn abzwingen.
O liebe, liebe, du bist stark,
Du senkest den ins grab uns sarg,
Vor dem die feisen springen.

4 Du marterst ihn am creutzes-stamm
Mit nägeln und mit spiessen,
Du schlachtest ihn, als wie ein lamm,
Machst herz und adern fliessen,
Das herze mit der seufzer kraft,
Die adern mit dem edlen saft
Des pupur-rothen blutes:
O süsses lamm! was soll ich dir
Erweisen dafür, daß du mir
Erzeigest so viel gutes.

5 Mein lebetage will ich dich
Aus meinem sinn nicht lassen,
Dich will ich stets, gleichwie du mich
Mit liebes-armen fassen:
Du solst seyn meines herzens-licht,
Und wenn mein herz in stücken bricht,
Solst du mein herze bleiben.
Ich will mich dir, mein höchster ruhm!
Hiemit zu deinem eigenthum
Beständiglich verschrieben.

6 Ich will von deiner lieblichkeit
Bey nacht und tage singen,
Mich selbst auch dir nach möglichkeit
Zum freuden-opfer bringen,
Mein bach des lebens soll sich dir,
Und deinem namen für und für
In dankbarkeit ergiessen;
Und was du mir zu gut gethan,
Das will ich stets, so tief ich kan,
In mein gedächtniß schliessen.

7 Erweitre dich, mein herzens-schrein!
Du solst ein schatzhaus werden
Der schätze, die viel grösser seyn,
Als himmel, meer und erden;
Weg mit dem gold Arabia,
Weg was die weit sonst schönes sah,
Ich hab ein bessrs funden:
Mein grösser schatz, Herr Jesu Christ!
Ist dieses, was geflossen ist
Aus deines leibes wunden.

8 Das soll und will ich mir zu nutz
Zu allen zeiten machen
Im streite soll es seyn mein schutz,
In traurigkeit mein lachen,
In frölichkeit mein saitenspiel,
Und wenn mir nichts mehr schmecken will,
Soll mich dis manna speisen,
Im durst solls seyn mein wasserquell,
In einsamkeit mein sprach gesell
Zu haus und auch auf reisen.

9 Was schadet mir des todes gift?
Dein blut, das ist mein leben,
Wenn mich der sonnen hitze trifft,
So kans mir schatten geben.
Setzt mir des schwermuths-schmerzen zu,
So find ich bey dir meine ruh,
Als auf dem bett ein kranker;
Und wenn des creutzes ungestüm
Mein schifflein treibet um und um,
So bist du denn mein anker.

10 Wenn endlich ich soll treten ein
In deines reiches freuden,
So laß die blut mein purpur seyn,
Ich will mich darein kleiden;
Es soll seyn meines hauptes kron,
In welcher ich will vor den thron
Des höchsten Vaters gehen,
Und dir, dem er mich anvertraut,
Als eine wohlgeschmückte braut,
An deiner seite stehen.

Text Information
First Line: Ein lämmlein geht und trägt die schuld
Language: German
Publication Date: 1826
Topic: Passions-Gesange; Passion Songs
Notes: Mel. An wasserflüssen Bahy.
Tune Information
(No tune information)



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