688. O Ewigkeit, du Donnerwort

1 O Ewigkeit, du Donnerwort,
o Schwert, das durch die Seele bohrt.
o Anfang sonder Ende!
O Ewigkeit, Zeit ohne Zeit,
ich weiß vor großer Traurigkeit
nicht, wo ich mich hinwende;
mein ganz erschrocknes Herz erbebt,
daß wir die Zung am Gaumen klebt.

2 Kein Unglück ist in aller Welt,
das endlich mit der Zeit nicht fällt,
und ganz wird aufgehoben:
die Ewigkeit hat nur kein Ziel,
sie treibet fort und fort ihr Spiel,
läßt nimmer ab zu toben,
ja wie mein Heiland selber spricht:
aus ihr ist kein Erlösung nicht.

3 O Ewigkeit, du machst mir bang!
O ewig, ewig ist zu lang,
hier gilt fürwahr kein Scherzen!
Drum wenn ich diese lange Nacht,
zusammt der großen Pein betracht,
erschreck ich recht von Herzen.
Nichts ist zu finden weit und breit
so schrecklich, als die Ewigkeit.

4 Was acht ich Wasser, Feur und Schwert!
Dies Alles ist kaum nennens werth,
es kann nicht lange dauren.
Was wär es, wenn gleich ein Tyrann
der fünfzig Jahr kaum leben kan,
mich endlich ließ vermauren?
Gefängniß, Marter, Angst und Pein,
die können ja nicht ewig sein.

5 Wenn der Verdammten große Qual
so manches Jahr als an der Zahl
hie Menschen sich ernähren,
als manchen Stern der Himmel hegt,
als manches Laub die Erde trägt,
noch endlich solte währen;
so wäre doch der Pein zuletzt
ihr recht bestimmtes Ziel gesetzt.

6 Nun aber, wenn du die Gefahr
viel hunderttausend tausend Jahr
hast kläglich ausgestanden,
und von den Teufeln solcher Frist
ganz grausamlich gemartert bist,
ist doch kein Schluß vorhanden:
die Zeit, so Niemand zählen kann,
die fänget stets von neuem an.

7 Liegt einer krank und ruhet gleich
im Bette, das von Golde reich
recht fürstlich ist gezieret,
so hasset er doch solche Pracht,
auch so, daß er die ganze Nacht
ein kläglich Leben führet;
er zählet jeden Glockenschlag
und seufzet nach dem lieben Tag.

8 Ach, was ist das! der Höllen Pein
wird nicht wie Leibeskrankheit sein
und mit der Zeit sich enden,
Es wird sich der Verdammten Schar
im Feur und Schwefel immerdar
mit Zorn und Grimme wenden
und dies ihr unbegreiflichs Leid
soll währen bis in Ewigkeit.

9 Ach Gott, wie bist du so gerecht,
wie strafest du die bösen Knecht
so hart im Pfuhl der Schmerzen!
Auf kurze Sünden dieser Welt
hast du so lange Pein bestellt,
Ach nimm es wohl zu herzen,
betracht es oft,o Menschenkind,
kurz ist die Zeit, der Tod geschwind.

10 Ach fliehe doch des Teufels Strick!
Die Wollust kann ein Augenblick,
und länger nicht ergötzen;
dafür willst du dein arme Seel
hernachmals in des Teufels Höhl,
o Mensch, zum Pfande setzen?
Ja schöner Tausch, ja wohl gewagt,
das bei den Teufeln wird beklagt.

11 So lang ein Gott im Himmel lebt,
und über alle Wolken schwebt,
wird solche Marter währen;
es wird sie Plagen Kält und Hitz,
Angst, Hunger, Schrecken, Feur und Blitz,
und sie doch nicht verzehren.
Dann wird sich enden diese Pein,
wenn Gott nicht mehr wird ewig sein.

12 Die Marter bleibet immerdar,
als anfangs sie beschaffen war,
sie kan sich nicht vermindern;
es ist ein Arbeit sonder Ruh,
sie nimmt an Klag und Seufzen zu
bei jenen Satanskindern.
O Sünder, deine Missethat
empfindet weder Trost noch Rath!

13 Wach auf, o Mensch, von Sündenschlaf,
ermuntre dich, verlornes Schaaf,
und bessre bald dein Leben.
Wach auf, es ist sehr hohe Zeit,
es kommt heran die Ewigkeit,
dir deinen Lohn zu geben.
Vielleicht ist heut der letzte Tag;
wer weiß, wie man noch sterben mag?

14 Ach laß die Wollust dieser Welt,
Pracht, Hoffart, Reichthum, Ehr und Geld
dir länger nicht gebieten,
Schau an die große Sicherheit,
die falsche Welt und böse Zeit,
zusammt des Teufels Wüthen.
Vor allen Dingen hab in Acht
die vorerwähnte lange Nacht.

15 O du verfluchtes Menschenkind,
von Sünden toll, von Herzen blind,
laß ab die Welt zu lieben!
Ach, ach, soll denn der Höllen Pein,
da mehr denn tausend Henker sein,
ohn Ende dich betrüben?
Wo ist ein so beredter Mann,
der dieses Werk aussprechen kann?

16 O Ewigkeit, du Donnerwort,
o Schwert, das durch die Seele bohrt,
o Anfang sonder Ende!
O Ewigkeit, Zeit ohne Zeit,
ich weiß vor großer Traurigkeit
nicht wo ich mich hinwende.
Herr Jesu, wenn es dir gefällt,
nimm mich zu dir ins Himmelszelt.

Text Information
First Line: O Ewigkeit, du Donnerwort
Author: Johann von Rist
Language: German
Publication Date: 1872
Topic: Auferstehung, Gericht und Ewigkeit; Resurrection, Judgment and Eternity
Notes: Mel. O Ewigkeit, o Donnerwort
Tune Information
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